So schummeln die Verlage: So viel Buch pro Euro gibt es wirklich
Wenn ich mir die Bücher in meinem Regal ansehe, dann fallen diese höchst unterschiedlich aus. Vom dicken Schinken bis zum dünnen Taschenbuch ist da so ziemlich alles vertreten. Nimmt man dann die einzelnen Bücher in die Hand, dreht und wendet sie ein bisschen, wiegt sie prüfend und lässt mit den Fingern die Seiten dahin rauschen, dann fällt einem sehr schnell auf, dass die Verlage hier viel Spielraum haben. Das ist natürlich gut und für mich ist die Buchgestaltung mehr als nur reine Notwendigkeit. Bei dem ein oder anderen Buch habe ich aber dann doch das Gefühl, dass die Verlage hier aus den Vollen schöpfen und ordentlich dick auftragen, um dann auch ein etwas größeres Preisschild an das Buch hängen zu können. Besonders bei den populären und beliebten Autoren würde ich vermuten, dass ordentlich aufgedreht wird. Besonders dreist ist das bei einem jüngst erschienenen Buch, was für mich Anlass ist, einen etwas genaueren Blick auf das ein oder andere Buch zu werfen. Zocken die Verlage uns Leser ab, oder ist alles noch im Rahmen?
Um eine Vergleichbarkeit zu erreichen, habe ich bei den hier betrachteten Büchern drei zufällig gewählte vollständig gefüllte Seiten mit einer Texterkennung digitalisiert und dann die Zeichen (mit Leerzeichen) gezählt. Eine Normseite, die gerne im Literaturbetrieb herangezogen wird, umfasst 1800 Anschläge (mit Leerzeichen) und auf eine solche Normseite habe ich dann die Seitenzahl umgerechnet um die Bücher vergleichen zu können. Es gibt Bücher, die haben ein gutes Stück mehr als die 1800 Anschläge pro Seite, andere wiederum liegen deutlich darunter. Daraus lässt sich dann auch der Preis pro Normseite ermitteln. Auf dem Weg lässt sich ganz gut vergleichen, wie viel Lesestoff es pro Euro gibt.
Das erste Buch, das ich mir genauer angesehen habe, ist Das Labyrinth des Fauns von Cornelia Funke. Ich war davon ja nicht sehr begeistert und war vom Inhalt sehr enttäuscht. Nimmt man es in die Hand, dann merkt man, dass hier viel Zeit in die Gestaltung geflossen ist und es von seinem Aufbau her ordentlich gestreckt wurde. Schmutztitel, Widmung, Titelseite und rechtliche Hinweise fressen zusammen schonmal vier Seiten, aber das ist ok, das ist ja bei jedem Buch so. Dann geht es aber los: Es gibt zwei Seiten Inhaltsverzeichnis mit 41 Kapiteln. Bei einem Buch mit 318 Seiten so viele Kapitel, das ist schonmal verdächtig. Die erste Seite von jedem Kapitel ist nur dreiviertel gefüllt was bei 41 Kapitel ganze 10,25 Seiten Schwund bedeutet. Dann werden die Kapitel immer auf der ungeraden rechten Seite gestartet, was zu insgesamt 30 Leerseiten führt. Zudem sind die letzten Seiten eines Kapitels nicht ganz gefüllt. 13 Seiten sind nur zu einem Viertel gefüllt, 20 Seiten nur zur Hälfte und 10 nur zu Dreiviertel. In Summe sind das 22,25 Seiten weniger. Dann gibt es 10 Seiten, die Hauptkapitel darstellen und mit fetten Kapiteltitel auf der gesamten Seite einführen, also auch nochmal 10 Seiten Verlust. 11 Seiten zeigen Illustrationen, die zwar nett anzusehen sind und die Geschichte bereichern, aber eben auch nichts zum Lesen sind. Von ursprünglich 318 Seiten bleiben so nur noch 228,5 Seiten. Nun habe ich die Anschläge pro Seite bei einigen Stichproben genauer angesehen und würde auf etwa 1500 Zeichen (mit Leerzeichen) im Mittel schätzen. So bleiben gerade einmal 190 Normseiten übrig. Bei einem Preis von 20 Euro für das Buch kostet die Seite also 11 Cent. Unterm Strich ein ziemlich teurer dünner Lappen, auch wenn das Buch optisch wesentlich umfangreicher wirkt.
Als nächstes Buch habe ich mir Selection von Kiera Cass angesehen, ohne genau die einzelnen Seiten und ihre Füllmenge zu zählen. Das Buch hat die gleichen Abmessungen wie Das Labyrinth des Fauns, ist aber mit den Kapiteln nicht ganz so verschwenderisch. Ich würde schätzen, dass vielleicht 10% durch Kapitelübergänge verloren gehen, aber insgesamt merkt man schon beim Durchblättern, dass hier nicht so stark gestreckt wurde. Die 366 Seiten haben aber durchschnittlich nur etwa 1400 Anschläge, was 285 Normseiten bedeutet und einem Preis von 6 Cent je Normseite. Mit 17 Euro für das Buch finde ich das noch ganz ok und nachdem es sich an jüngere Leserinnen richtet ist der Umfang durchaus sinnvoll. Wahrscheinlich schreckt ein dicker Wälzer ein jüngeres Publikum eher ab. Im Vergleich mit Das Lächeln der Frauen, das als Taschenbuch deutlich kleiner ausfällt, ist es mit nur 25 Normseiten mehr Inhalt nicht wesentlich umfangreicher. Hier suggeriert die Verpackung ein anderes Verhältnis.
Eine andere aktuell gefragte und wirklich sehr gelungene Reihe ist Die Spiegelreisende von Christelle Dabos. Hier ist erst der dritte Band Das Gedächntis von Babel erschienen. Das Buch ist auch ziemlich dick, mit 18 Euro für ein so schön gestaltetes Hardcover eigentlich auch ganz preiswert. Tatsächlich ist hier das Verhältnis ganz gut und mit etwa 1600 Anschlägen pro Seite umfasst es immernoch 457 Seiten. Pro Normseite also 4 Cent. Hier wird also nicht zu dick aufgetragen und Preis-Leistung stimmt. Auch inhaltlich haben mir die Bücher bisher richtig gut gefallen.
Ein weiteres Buch, dass ich genauer unter die Lupe genommen habe, ist Die sieben Schwestern von Lucinda Riley, also auch ein Kommerz-Titel der ziemlich gut geht und aus dem sich doch ganz gut was raus lutschen lässt. 22 Euro muss der geneigte Leser hier auf den Tisch legen, bekommt dafür 541 Seiten Lesestoff. Mit etwa 2000 Anschlägen sind diese aber sehr gut gefüllt und liegen so 11% über Soll. 4 Cent pro Normseite, also ein guter Schnitt, hier kann man nicht meckern.
Ich habe mich gefragt, ob sich hier vielleicht etwas verändert hat und mal zwei Fantasy-Romane vom Klett-Cotta Verlag genauer angesehen und die Neuauflage von Der Drachenbeinthron aus dem Jahre 2014 mit Der Blumenkrieg aus dem Jahr 2004 verglichen (beide Romane sind von Tad Williams). Von der Größe sind die beiden Bücher völlig identisch und auch von den Anschlägen pro Seite mit überdurchschnittlichen 2200 Zeichen pro Seite besonders umfangreich. Der Drachenbeinthron ist aufgrund seines größeren Umfangs mit 2 Cent pro Normseite etwas günstiger als Der Blumenkrieg mit 3 Cent, man muss aber konstatieren, dass man bei beiden Büchern schon gut Lesestoff für sein Geld bekommt. Im Vergleich kommt meine Krieg und Frieden Ausgabe auf 3 Cent pro Normseite (die kostet zwar 58 Euro, kommt dafür aber mit 2288 Seiten ums Eck). Der Größenvergleich zeigt aber auch: So fett müssten die Klett-Cotta Bücher auch nicht sein, aber das Publikum erwartet von einem gehaltvollen Fantasyroman wohl auch eine ordentliche Schwarte. Wobei auch der Vergleich hinkt, immerhin kommen die Hanser Bücher ja mit Dünndruck.
Ausgehend von diesen wenigen Stichproben kann man also nicht behaupten, dass Verlage hier grundsätzlich versuchen zu täuschen und ganz ehrlich, ein dickes Buch ist auch kein Kaufargument. Wahrscheinlich ist ein dicker Wälzer eher abschreckend. Bücher wie Das Labyrinth des Fauns sind eher die Ausnahme und aus meiner Sicht durchaus legitim, denn hübsch sieht es ja schon aus und macht wesentlich mehr her, als so ein dünnes Büchlein. Schade, ich hätte gerne etwas aufgedeckt und bin auch ein bisschen stolz auf den reißerischen Titel dieses Blogbeitrags, ganz im Stile der hiesigen Newsseiten.
Es gibt aber doch ein paar Dinge, die mich stören und die doch den Geruch von Gewinnmaximierung haben. Beispielsweise würde ich kurze ergänzende Sonder-Bücher einer eigentlich umfangreichen und gehaltvollen Reihe in diese Kategorie einordnen. Ein gutes Beispiel ist hier Die Musik der Stille von Patrick Rothfuss. Es kommt auch mit der gleichen Aufmachung ums Eck wie die dicken und umfangreichen Fantasyromane der Reihe und jemand, der wie ich online nach Büchern fahndet bestellt das natürlich sofort und ist dann ordentlich enttäuscht, dass da nur so ein kleines Büchlein im Päckchen ist, dass zudem aus recycelten Resten aus dem Fundus des Autoren zusammengestöpselt wurde und inhaltlich nichts zu bieten hat.
Was auch sehr nervig ist, sind übersetzte Bücher, die im Deutschen dann aufgeteilt werden. Bezugnehmend auf den obigen Vergleich zwischen Krieg und Frieden und Der Drachenbeinthron, ist klar, dass man eine ganze Menge in ein einzelnes Buch bekommt und das ganz sicher kein Problem wäre. Bei Game of Thrones hat man ja dann wenigstens die Hardcover Ausgaben dann so aufgelegt, dass sie den englischen Büchern entsprechen und nicht mehr geteilt sind.
In Summe glaube ich, gibt es nur wenige Hobbies, die so günstig sind, wie das Lesen. Ihr wisst ja, dass ich Zahlen ganz gerne mag und auch für mich immer wieder kleine Statistiken mache. Und da komme ich pro Lesestunde auf weniger als einen Euro. Ich hab einige teure Prachtausgaben, aber eben auch immer wieder mal ein günstiges Taschenbuch oder auch einen alten fetten Klassiker, wie beispielsweise Doktor Schiwago, den ich inkl. Versand für weniger als vier Euro gekauft habe. Und wer es besonders preiswert möchte, der wartet einfach ein bisschen und kauft sich die Bücher gebraucht oder als Taschenbuch. Und wenn das noch zu viel ist, dann geht man einfach in die Bibliothek. Oder man holt sich Ebooks, da geht meistens auch noch ganz gut was. Heute gibts also leider keinen Skandal, auch wenn es der Titel dieses Beitrags vermuten lässt.
Wie seht ihr das? Gebt ihr viel Geld für Bücher aus? Welche Bücher habt ihr als Abzocke empfunden und welche als Schnäppchen? Wie viel gebt ihr für Bücher aus?
Ich bin sicher, dass ist eher witzig gemeint & ich zähle auch manchmal, wie lang ein Buch „wirklich“ ist, u.a. weil es manchmal frustrieren kann, wenn man das Gefühl hat, gar nicht voran zu kommen (Pynchon mit 2500-3200 Zeichen/Seite).
Und du sagst ja selbst „ein dickes Buch ist auch kein Kaufargument“…
Aber man erlebt es schon öfter, dass es doch als eines genommen wird und (s.u.) ich glaube die Verlage schätzen den Markt auch so ein, dass fette Bücher besser ziehen (dazu unten mehr)
Dabei ist es natürlich absurd: Für Robert Walser schmalen „Spaziergang“ oder Lasker-Schülers „Konzert“ wäre ich viel eher bereit Geld in die Hand zu nehmen, als als für den aufgeblasenen Drachenbeinthron. Und wäre es nicht andersrum noch ein größeres Verbrechen? Wenn Funkes „Faun“ tatsächlich 500 dichtbedurckte Seiten hätte? Knapp 200 (eher 100) waren ja schon kaum zu ertragen. Was drückt viele Leser derart nieder, dass wir im Gegensatz zu allen anderen Kunstfreunden unsre Kunst wie Schinken behandelt wissen wollen? Niemals wird sich ein Freund klassischer Musik wünschen, Beethovens Fuge nähme die Ausmaße an von Wagner Opern. Oder ein Bewunderer Monets klagen, die Bilder seien nun aber eben zu klein.
Aus eigener Erfahrung: Tatsächlich dürfe das Aufblähen der Textmenge der regelmäßigere Verstoß von Verlagen gegen den guten Geschmack sein. Als Neuling kriegt man einen Hundertseiter kaum gedruckt. Schon zweimal wurde mir angeboten, eine entsprechende Novelle auf mindestens 300 auszubauen, was der Fuge als Wagneroper entspräche.
Und das ist die Schuld der Leser, die sich, ganz im Tauschprinzip verfangen, nicht vorstellen können, dass etwas Schlankes sich selbst genügt und ein viel größerer Genuss sein kann als 700 Seiten Geschwätz.–
Dass Texte aufgebläht werden ist also „die Schuld“ „der“ Leser, also auch meine Schuld?
Pauschalisierung komplexer Themen wo ich auch hinschaue.
Weil ein „Autorenschuber“ in einem Verlag erscheint, in dem auch die gleichnamige überregionale Zeitung erscheint, wird „das“ deutsche Feuilleton und insbesondere dieser Verlag als geradezu frauenfeindlich hingestellt. Dabei hat diese Zeitung gerade auf das ungleiche Verhältnis von Autoren und Autorinnen in Rezensionen bereits ein Jahr zuvor hingewiesen.
Und auch bei der Kalkulation von Verlagen müssen so viele Faktoren berücksichtigt werden, dass kein allgemein gültiges Pauschalurteil möglich ist.
Als Leser kann ich natürlich jedem Buch einen persönlichen Wert beimessen – in welcher Einheit auch immer.
Man kann das wütend von sich weisen, aber was hilft es? Verlage gehen davon aus, dass die Leserschaft in der Masse kein Geld ausgibt für dünne Werke nicht bereits berühmter AutorInnen. Es fehlt natürlich auch der Mut, das mal ernsthaft anzutesten. Aber ein an sich professionelles Hörbuchprojekt mit Texten namhafter Autoren zw 20 und 40 Minuten für je ca 1 Euro kommt nicht von der Stelle. Die Masse will masse. Die Masse will Zeitvertreib. Und abseits von Klein- und Liebhaberverlagen richten sich die Verlage genau darauf ein.
Also, ich bin nicht man, und auch nicht wütend.
Und es gibt auch nicht „die“ Masse und „die“ Großverlage. Klar, gibt es nur eine knappe Hand voll großer Medienhäuser, aber auch die jeweils dazugehörenden Verlage handeln ihre Verträge mit den Autoren unterschiedlich aus. Ja, es ist nicht leicht als unbekannter Autor, aber die „Schuld „den“ Leser*innen in die Schuhe zu schieben, ist eine zu einfache Herangehensweise.
Andere Kommentatoren und Kommentatorinnen haben dies ja an weiterer Stelle differenzierter erläutert.
Ich höre zum Beispiel von vielen anderen Lesern dass sie dünne Bücher bevorzugen, Wälzer sind ihnen zu dich von der Handhabung und Dauer der Geschichten.
Sowas gibt’s also auch und das sind nicht wenige
Also jeder BWL-Student im ersten Semester weiß dass die Gesamtkosten eines Produktes immer aus fixen und variablen Kosten bestehen.
Die fixen Kosten (x) gehen anteilmäßig runter wenn die Stückzahlen (y) hochgehen. (z=x+Auflage*y).
Deshalb ist nicht entscheidend, wie viele Seiten etc. ein Buch hat, sondern wie hoch die Auflage ist. Je höher die Auflage, desto kostengünstiger.
Dazu kommen dann natürlich noch die Ausschüttungen für die Autorenrechte, Werbung etc.
Also ganz so einfach ist diese Kalkulation nun auch nicht.
Manche Verlage zocken aber wirklich ganz schön ab. Der Fischer-Verlag ist ein Beispiel. Was die teilweise für 20 Jahre alte Books (dann in E-Book-Form) nehmen oder für Bücher, die schon Public Domain sind (die Odyssee, Göttliche Komödie, oder Thomas Mann z.T.) ist unverschämt.
Entscheidend sind die Seiten eines Buches, wenn man davon ausgeht, dass LeserInnen in der Breite überhaupt nicht bereit sind, Geld für Werke unter xy Seiten auszugeben. Und entsprechend sagen manche Fantasy-Verlage Debütanten auch knallhart: Unter 300 Seiten werden keine Manuskripte angenommen.
Thomas Mann ist noch nicht Public Domain. Jedenfalls nicht in Deutschland.
Außerdem handelt es sich bei den Ausgaben dieser Verlage normalerweise auch nicht um die lizenzfreien Urfassungen (z. B. bei der „Odyssee“ oder der „Göttlichen Komödie“), sondern um entsprechende Überarbeitungen oder Neuübersetzungen etc., in die die Verlage Geld investiert haben.
BWL´er eine Spezies die kein Mensch braucht!
Genau deswegen gibt es im ICE auch keine Defibrilatoren, weil es zu wenig Herzinfarkte oder Tote nach Herzkammerflimmern gibt und die Kosten somit nicht runter gehen.
Das wäre die Sicht von Seiten der Verlagen und natürlich finanzieren die auflagenstarken Werke unbekanntere Bücher. Als Leser schaue ich allerdings schon, was ich denn für mein Geld bekomme und mir ist dabei die Kalkulation des Verlags egal. Natürlich würde ich das nicht, wie im Beitrag überspitzt dargestellt, das nicht auf die Anzahl der Seiten pro Euro reduzieren. Gerade bei schönen Ausgaben wiegt eine gute Haptik, geschmeidiges Papier oder ein schön gestalteter Leineneinband einen höheren Preis auf.
Bücher sind, wie eine Vorkommentatorin schon erwähnte, keine Schinken. Man kann da nicht Masse mit dem Preis verrechnen. Statt dessen ist hier mal wieder ein Hinweis auf den Segen der Buchpreisbindung angesagt: Sie sorgt dafür, dass Verlage sich immer noch als Kulturvermittler betätigen können (ob sie es denn im Einzelfall tatsächlich tun, ist eine andere Frage, vor allem seit in den Chefetagen dort wie in anderen Branchen Betriebswirte sitzen, statt Leuten, die von der Branche selbst etwas verstehen) indem sie solchen Büchern, bei denen hohe Verkaufszahlen zu erwarten sind, hohe Preise verpassen, um mit den Überschüssen wirklich gute Bücher, die nicht so verkaufsträchtig sind, auch auf den Markt bringen zu können. In Ländern ohne Buchpreisbindung ist praktisch keine hohe literarische und/oder herstellerische Qualität mehr zu bekommen: Sie wäre nicht verkäuflich, wenn man den tatsächlichen Herstellungspreis verlangte. Und ja, damit bezahlt die eher oberflächliche Schmökerin die „hohe“ Literatur, die sie nicht interessiert, mit. So wie jeder Steuerzahler Theater und Opernhäuser mit bezahlt. Wäre das nicht so, sondern würde der einzelne Kulturkonsument in voller Höhe für die Kosten der ihn interessierenden Kunst zur Kasse gebeten – es wäre vorbei mit der Kultur und wir wären endgültig im absoluten Ultrakapitalismus angelangt und hätten das einzige verloren, was Menschen in positiver Hinsicht von den Tieren unterscheidet.
Deshalb: Wer sich über hohe Preise bei einfachen Romanen ärgert, dem bleibt es unbenommen, sich auch mal eine wirklich schön gemachte Neuausgabe eines Klassikers oder einen hochwertigen Bildband zu kaufen und sich zu freuen, dass es die um einen Preis gibt, den frau auch noch bezahlen kann.
Ach, das stimmt doch nicht. Aus Großbritanien kommt bis heute tolle Literatur, auf die Autoren der USA von Pynchon bis Morrisson kann manches Buchpreis-gebundene Land neidisch sein, die russische literatur bringt bis heute Experimente hervor, an die sich in Deutschland vielleicht zuletzt der längst vergessene Rainer Maria Gerhardt wagte. Lateinamerika, der Blüte-Kontinent der neueren literarischen Moderne, ist größtenteils Bindungslos. Und niemandem würde ein Zacken aus der Krone fallen, mal öfter auf die ebenfalls meist ungebundenen Märkte afrikanischer Staaten zu schauen.
Das halte ich für nicht haltbar. Die Buchpreisbindung gibt es, weil die Verlage Kartelle sind und sich die Krähen gegenseitig kein Auge aushacken im hart umkämpften Markt.
So nun Herr Lesestunde finden Sie mal heraus wer hinter den Verlagen steht.
MfG
Ich wage auch zu bezweifeln, dass die Buchpreisbindung dazu führt, dass Verlage mit so gewonnenen Einnahmen „kulturell wertvolle“ Bücher gegenfinanzieren. Es gibt Verlage, die sich nahezu ausschließlich auf Unterhaltungsliteratur fokussiert haben und andere wiederum, die schon sehr viel anspruchsvolle Literatur im Programm haben. Verlage haben keinen Kulturauftrag, sie müssen Profit machen, so wie jedes Unternehmen in diesem Wirtschaftssystem. Und wir sind bereits im absoluten Ultrakapitalismus.
Die Metrik „Preis pro Textmenge auf einer Seite“ ist natürlich höchst problematisch.
Was, wenn ein Buch viele Illustrationen hat? Was, wenn diese auch noch farbig gedruckt sind? Was ist mit der Papierqualität?
Dann haben wir andere Kostenaspekte, z.B. wie teuer die Rechte am Buch und der Übersetzung waren. Klassiker z.B. kosten oft einen ähnlichen Preis, egal ob es eine Neuübersetzung ist, oder eine uralte und rechtefreie.
Oder nehmen wir praktische Überlegungen. Ein Hardcover mit unter 100 Seiten fühlt sich einfach schlecht an. Genauso sind mehr als 1000 Seiten beim Lesen sehr schnell unangenehm und zu schwer.
Es gibt vermutlich wahnsinnig viele Aspekte, die dabei reinspielen, wie dicht gedruckt wird. Die meisten sind logisch nachvollziehbar.
Dass es Bücher gibt, die ganz klar auf Absatz optimiert sind, darüber brauchen wir nicht reden. Das versteht sich von selbst 🙂
Buchsatz und -gestaltung haben – neben wirtschaftlichen und rein pragmatischen – auch viel mit ästhetischen Gesichtspunkten zu tun. Und die Normseite wird im belletristischen Bereich überwiegend mit 1.500 Zeichen inklusive Leerzeichen angesetzt: https://www.vfll.de/was-ist-lektorat/lektorat-von-a-bis-z/m-bis-s/normseite/
Ey Mr. Lesestunde,
jetzt wird mir einiges klar.
Ich fand Deinen Beitrag sehr interessant. Allerdings solltest Du noch die Qualität des Papieres in die Analyse mit einfließen lassen, den Status des Autors, sowie die Leute welche an dem Werke mitarbeiteten. Ich meine Du gehts ja auch nicht für Mindestlohn arbeiten bzw. verscherbelt das Deine Bude dann für 08/15.
Bei Bildern bspw. gibt es Faktoren mit welchen die Rahmenlängen multipliziert werden. Je Bekannter der Autor desto höher der Faktor. Ioan Iacob hat glaube ich den Faktor 20, d.h. ein Bild mit Kantenlänge 60 x 40 cm würde somit (60 cm + 40 cm) * 20 = 2.000,00 € kosten.
Ich muss sagen das meine letzten 5 Bücher ordentlich befüllt waren, allerdings waren das Zeitzeugenberichte über Konzentrationlager, wie bspw. Lucie Adelsberger.
Ich denke, dass Dich der Pettenpaul´sche Quotient nach wie vor tangiert :-)!
Lieber Herr Aquariumtaucher,
die Metrik Euro pro Seite ist tatsächlich höchst problematisch, besonders für einen bibliophilen Vielleser wie mich, der dazu neigt zum teuren Prachtbuch zu greifen. Eine frische Neuübersetzung, wie sie oft im Hanser Verlag oder auch beim Mare Verlag zu bekommen sind, haben zusammen mit der schönen Gestaltung der Bücher einen Wert, der sich natürlich nicht auf die Seiten reduzieren lässt. Die oben beispielhaft betrachteten Bücher (mit Ausnahme von „Krieg und Frieden“ und dem genannten Taschenbuch) sind in ihrer Ausstattung tatsächlich vergleichbar. Papier, Bindung und Umschlag sind ähnlich in ihrer Qualität und Machart. Mit „Der Drachenbeinthron“ bekommt man also durchaus mehr für sein Geld als wie beispielsweise mit „Das Labyrinth des Fauns“.
Das mit dem Faktor ist nicht schlecht. Ich glaub bei den Autoren sind es dann allerdings eher die Filmrechte, die dann erst die Einnahmen richtig sprudeln lassen.
Die Pettenpaul´sche Arithmetik ist natürlich aktueller den je 😉
Herzliche Grüße
Tobi
Diesen Herbst habe ich mir Dickens vorgenommen. Ich lese immer sieben Romane des betreffenden Autors. Da ich es einheitlich mag, habe ich bis auf „Große Erwartungen“ (Hanser) alle anderen Romane im BOER Verlag gekauft. Dieser jedoch bindet einzelne Bücher nur bis ca 500 Seiten, sodass ich bislang bei Chuzzlewit, Nickleby und Copperfield jeweils zwei Bände a 36€ nehmen musste. Das ist mir gerade noch die Grenze dessen, was ich auszugeben bereit bin. Allerdings finde ich diese Ausgaben mit ihren Zeichnungen recht schick gemacht. Noch vor einem Jahr hätte ich dieses Geld nicht in die Hand genommen, doch habe ich meine Dostojewskis leider bei Hofenberg bestellt. Hofenberg hat die Texte einzelner Kapitel wohl kaum geprüft, teils fehlen in den Zeilen sämtliche Freizeichen, mal fehlt ein Wort, dann wurde aus Verben Substantive und die Kommasetzung war auch nicht wahr. Einzig das Großformat hat mich angezogen. Durch Hofenberg ist mir daher bewusst geworden, dass ein schönes Buch auch seinen Preis haben darf, muss, soll. Tatsächlich geht meine Denke mittlerweile in die Richtung, dass ein zu günstiges Buch eher vermieden wird. Nächsten Winter möchte ich z.B. Balzac lesen, da gibt es einen Schuber (Diogenes) mit mehreren Romanen zu 99€. Das scheint mir zu günstig, sodass ich am Überlegen bin, ob diese Ausgaben vielleicht ebenfalls vernachlässigend bearbeitet wurden.
Schönen guten Morgen!
Ich hab deinen Beitrag mit viel Interesse und Humor gelesen 🙂
Ich denke auch, dass manchmal echt wenig geboten wird fürs Geld, grade mit vielen Leerseiten und großer Schrift macht der Schein mehr her als das Sein ^^
Wobei ich noch dazu sagen möchte, dass es mich immer noch ärgert – auch wenns jetzt nicht so zum Thema gehört, aber irgendwie ja auch schon, dass Ebooks oft genauso viel kosten wie die Taschenbücher oder Hardcover oder nur 1 Euro billiger sind. Und ich dafür „nur“ eine Datei erhalte die mir noch nicht mal gehört. Bei manchen ist die Geldspanne tatsächlich größer, aber oft eben nicht, was ich fast schon unverschämt finde.
Natürlich hab ich vom Lesen her das gleiche, aber eben kein „Buch in der Hand“.
Und ein Buch, das ich kaufe, kann ich zum Beispiel auch meiner Mum zum lesen leihen oder einer Freundin, was ja bei Ebooks nicht geht … dafür dann (fast) den gleichen Preis zu zahlen find ich unpassend.
Ich hab deinen Beitrag heute übrigens auch in meiner Stöberrunde verlinkt.
Hab ein schönes Adventswochenende!
Liebste Grüße, Aleshanee
Liebe Aleshanee,
also mit den Ebooks gebe ich dir recht. Wenn man bedenkt, dass man nur ein Nutzungsrecht bekommt und das Buch nicht verleihen oder weiterverkaufen kann, müsste der Preis ein gutes Stück geringer sein als beim gedruckten Buch. Das ist aber auch wieder eine Konsumentensicht. Ich denke mal dass es für die Unternehmen schon ähnlich teuer ist, ein physikalisches Buch zu vertreiben, denn die Plattformen für Ebooks müssen auch betrieben und die Inhalte entsprechend im korrekten Format aufbereitet und vertrieben werden. Wahrscheinlich ist das ungefähr genauso teuer, wie wenn man ein Buch auf den klassischen Weg drucken und verkaufen, denn IT ist einfach immer teuer. Aber ich sehe das gelassen, mir ist das haptische Erlebnis beim Lesen einfach zu wichtig, als dass ich zum schnöden Reader greifen würde.
Herzlichen Dank für die Verlinkung!!
Liebe Grüße
Tobi
Hallo Tobi,
zunächst wünsche ich Dir ein gutes neues Jahr mit vielen Lesestunden 🙂
„Schade, ich hätte gerne etwas aufgedeckt und bin auch ein bisschen stolz auf den reißerischen Titel dieses Blogbeitrags, ganz im Stile der hiesigen Newsseiten.“ Da mußte ich ja sehr schmunzeln!
Grundsätzlich finde ich ein schön gesetztes Buch, wozu auch Freiflächen gehören, schöne als eine Papierknappheit früherer Zeiten spiegelnde Bleiwüste, aber das aufblähende Strecken magerer Texte zu Büchern ist natürlich in jedem Fall ärgerlich. Ich kenne das von so manchem Essay, habe auf Booktube aber gelernt, daß das auch bei solchen Reihenergänzungsbüchern, wie Du sie ja auch ansprichst, öfter vorkommt. Sowas ist dann doch leider Nepp.
Liebe Grüße
Norman
Auch ich finde deutschsprachige Ebooks unverhältnismäßig teuer, besonders wenn es sich um Neuerscheinungen handelt, gleichzeitig zu den Hardcover Ausgaben. Für etwa drei Euro Unterschied greife ich nicht zum Ebook. Ich halte diese E-Formate für die Cashcows der Verlage, denn im Gegensatz zum gebundenen Buch fallen doch nur ein Mal Kosten an, dieses in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen.Natürlich rede ich von einem umfassenden Lektorat, wie ich es von einem gebundenen Buch auch erwarte, dazu der technische Aufwand. Aber einmal geschehen, scheint es mir als Laie erledigt, ab nun wird gekauft und auf den E-Reader geladen. Ich gebe im Verhältnis zum monatlichen Budget, das mir insgesamt zur Verfügung steht, viel für Bücher aus, pflege mit Augenzwinkern zu argumentieren, dass ich dafür nur eine überschaubare Menge an Schuhen habe. Dennoch bin ich froh, alle englischen Titel in der Originalsprache lesen zu können, denn damit spare ich viel Geld. Bei deutschen Büchern von Autor*innen, bei denen ich nicht mehrere Jahre auf die TB Ausgabe warten will, kaufe ich gebraucht, sehr guter Zustand, auch wenn dies nicht im Sinne der Buchhandlungen und Autoren ist. Dennoch, ich gehöre zu jener Gruppe von Menschen, die zum „nur mal kurz Durchschauen“ in eine Buchhandlung gehen und niemals ohne mindestens eine Neuerwerbung das Geschäft wieder verlassen, Notizzettel helfen nur bedingt, denn auf dem Weg zum gesuchten Buch kommt man ja so vielen interessanten, oh, wollte ich auch lesen, Büchern vorbei …
Das ist Quatsch, das Papier und das Drucken sind keine wesentlichen Kosten bei der Buchproduktion, das mit den drei Euro kommt schon hin. Die Verlage verdienen an eBooks nicht mehr.
Ich finde den Vergleich, wie viel Buch fürs Geld weder schäbig noch sonst schlimm, sondern angebracht. Das ist eine wirklich gute Idee, so einen Vergleich anzustellen. Ich vergleiche das auch immer mit weiteren Hobbys und da gibt es auch (digitale) Spiele, die ähnlich günstig sein können. Muss man vielleicht 70 Euro berappen, kann man aber einen Spielspaß von vielen Wochen erleben, bei manchen Spielen zumindest.
Was eine Unsitte im Buchsektor ist, sind in meinen Augen Leseproben von hundert Seiten. Da freut man sich auf Lesespaß und dann ist man urplötzlich fertig. Unvermittelt wird man rausgerissen und ist enttäuscht. Leseproben sind das letzte.