Analog trifft Digital: Meine KI-Vinylschallplatte

Genauso wie schöne Bücher, liebe ich schöne Vinyl Platten und seit einigen Jahren höre ich nahezu nur noch Schallplatten. Für mich hat das einen ähnlichen entschleunigenden Effekt, wie das Lesen von bibliophilen Büchern. Sich abends auf das Sofa zu setzen, ganz bewusst sich ein Album auszusuchen, die Platte aus einer schön gestalteten Hülle zu nehmen, aufzulegen, das Knacksen zu hören, wenn die Nadel aufsetzt und dann sich vollständig dem Lauschen der schöner Musik zu widmen, das ist einfach eine sehr entspannende und genussvolle Beschäftigung. Besonders wenn man eine hochwertig verarbeitete Platte in Händen hält, die dann einfach einen wunderbaren warmen Klang hat. Gleichzeitig bin ich als Software-Entwickler-Nerd natürlich auch von dem ganzen KI Hype fasziniert und teste auch immer wieder die neuesten Errungenschaften aus der AI Welt, die momentan wie Pilze aus dem Boden schießen. Heute will ich euch meine erste Schallplatte zeigen, die ich mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz selbst erstellt habe und die wirklich gelungen ist. Auch wenn es nur entfernt mit Literatur zu tun hat, ist es ein schönes und inspirierendes Thema, über das ich hier einfach schreiben muss.

Suno AI ist ein Online-Dienst, der einen generativen Künstliche-Intelligenz-Algorithmus bereitstellt, mit dessen Hilfe Musik erstellt werden kann. Das Faszinierende dabei ist, dass man über eine Texteingabe festlegen kann, was für eine Musik das sein soll. Hier kann man frei eingeben, was für eine Musikrichtung, für einen Stil, für ein Thema, welche Elemente usw. man haben möchte und aus den Informationen wird dann ein Song generiert. Es besteht auch die Möglichkeit selbst eine Audio-Probe als Vorlage hochzuladen und man kann auch eigene Songtexte vorgeben oder komfortabel generieren lassen. Das erinnert also alles stark an ChatGPT, nur dass man anstatt einer textuellen Antwort eben einen Song bekommt.

Wer die Webseite von Suno AI besucht, kann sich dort auch die erstellten Songs anderer Nutzer anhören und das ist echt unterhaltsam, was die Leute so für Lieder erstellt haben. Beispielsweise die MIT Lizenz als Piano Song. Zum Test habe ich als Erstes einen House-Song darüber erstellt, wie blöd es ist, den Müll raus zu bringen (hier das Ergebnis). Dann hab ich das nochmal als Arie mir erzeugen lassen und Suno hat es tatsächlich gleich als italienisch gesungene Arie erstellt, was ihr hier anhören könnt. Das ist schon beeindruckend, was hier binnen weniger Sekunden erzeugt wird.

Trainiert wurde die KI natürlich mit allen möglichen Liedern der letzten Jahrzehnte, was die Plattenlabels auf den Plan gerufen hat, die natürlich nun auch was vom Kuchen abhaben wollen und Suno verklagt haben. Ich bin jetzt kein Musiker, also ist Suno als Werkzeug, um kreativ zu sein, für mich kein Thema. Aber als jemand, der sich den Genüssen guter Musik gerne hingibt, ist es natürlich eine wunderbare Gelegenheit sich die Wunschmusik zu erstellen, die man schon immer haben wollte. Ich finde es faszinierend, wie sich Musikstile mischen lassen und wenn man einen bestimmten Stil im Prompt ergänzt, findet man das tatsächlich im Song wieder.

Es gibt eine Platte, die ich schon tausendmal angehört habe, weil die Musik einfach richtig gut ist: Saudade von der Thievery Corporation. Ich mag die sanfte Musik, den ruhigen Gesang, die Mischung aus Downtempo, Bossa Nova, French Pop, Gitarre, sehnsuchtsvoll und melancholisch. Es gibt aber einfach kaum etwas, das in die Richtung geht und selbst die anderen Alben von der Thievery Corporation haben einen völlig anderen Stil, der auch wunderbar ist, aber eben anders. Suno bietet da eine super Gelegenheit, Musik in diese Richtung zu erzeugen, was ich auch ausführlich ausprobiert habe.

Und tatsächlich: Die erzeugten Songs finde ich richtig gelungen. Natürlich reicht das von der Qualität nicht an die Musik echter Künstler heran, das muss man ganz klar sagen. Auch die Qualität der Suno Songs ist klanglich weit davon entfernt ausreichend zu sein. Beispielsweise für ein klassisches Stück oder einen richtigen Pop-Song ist die Qualität einfach noch zu matschig und schlecht. Zum Saudade-Bossa-Nova-Downtempo-Thievery-Corporation-Sound passt diese LoFi Qualität aber wiederum richtig gut.

Natürlich habe ich mich gefragt, wie sich die Songs auf Platte anhören müssen, denn das ist eigentlich das einzige und genau richtige Medium für diese Art von Musik und diese schlechte LoFi Qualität. Wenn man im Netz sucht, dann findet man einige Anbieter, die Einzelanfertigungen von Platten anbieten. Das ist auch nicht ganz günstig, da kommt man schnell auf 120 Euro oder mehr. Ich habe auf Etsy das Tonstudio Lorenz gefunden, die eine LP für 59 Euro erstellen und obendrein auch noch eine Hülle mit Cover dazu liefern. Die Bewertungen waren gut und preislich war es mir das wert, denn die Suno Songs sind einfach schön anzuhören. Ich habe also eine Auswahl der besten Songs getroffen und nach nur einer Woche hatte ich bereits meine Platte in Händen. Um das perfekt zu einem KI Projekt zu machen, habe ich auch das Cover mit Hilfe eines KI generierten Bildes erstellt (mit Bing Image Creator). Um es druckfertig zu bekommen, sind die Bilder zu klein, ich hab sie also (wen überrascht es) mit einem KI Bildvergrößerer vergrößert. Upscayl heißt das Programm, ist kostenlos und skaliert auch kleine Bilder richtig gut. Vom Titel war ich wenig kreativ, das gebe ich zu, aber so what.

Vom Ergebnis bin ich sehr begeistert. Ja, die LoFi Qualität, die hat man natürlich auch voll auf Platte, aber was dazu kommt ist der warme Klang, das Knistern, die ganze Nostalgie, die man einfach nur mit Vinyl geboten bekommt. Das kann man sich wirklich anhören, das ist einfach schöne Musik, stimmungsvoll und die Qualität der Platte ist wirklich hervorragend. Und natürlich handeln die Songs von schönen Dingen: dem Lesen vor dem Einschlafen, von der schönen Literatur der großen Autoren, von Paris oder vom nostalgischen Klang von Schallplatten.

Wer sich meine Platte auf Suno anhören möchte, kann das hier tun: Saudade auf Suno

Ja, ich hör schon das Geschreie: „Uah, Musik von einer KI, was ist denn das? Nein, ich will hochwertige Musik, mimimi, das kann ja nie so gut sein wie Pink Floyd/Queen/ABBA/XYZ-Kommerz-Künstler. Das war damals noch handgemachte Musik, früher war alles besser…“. Oder oft kommt auch: „Das ist ja nur ein neuer Aufguss von dem, was schon da ist. Die KI ist ja eigentlich voll dumm, die setzt ja nur nach Wahrscheinlichkeiten zusammen was schon da ist.“. Da mag ja was dran sein, aber machen wir uns nichts vor, 95% der Musik, die da so durch den Äther rinnt und an die sich nach ein paar Monaten keiner mehr erinnern kann, könnte man auch locker durch eine KI erstellen, denn das ist auch der tausendste Aufguss der gleichen Chose. Ein vielleicht nicht komplett neuer, aber doch exotischer und selten gehörter Musikmix ist damit durchaus möglich. Ich bin da sehr gespannt, wie sich das alles über die nächsten Jahre weiterentwickeln wird. Erst im Mai hat Suno 125 Millionen US-Dollar Investorengelder eingesammelt, man kann sich also sicher sein, dass die Entwicklung hier mit hohem Tempo weiter gehen wird.

Für mich persönlich ist das eine weitere neue Quelle für Musik und wenn es meinen Geschmack trifft, dann kommt es auf die Playlist. Und ich bin fasziniert, dass so eine eigene Platte mit KI generierter Musik, die voll nach meinen Wünschen angepasst ist, überhaupt möglich ist. Eine sehr faszinierende Sache und heute Abend werde ich mir ein Bier aufmachen, die Platte auflegen, mich auf das Sofa legen und die schöne Musik genießen.

Wichtige Links aus dem Artikel:

7 Kommentare

  1. Hallo Tobi,
    was Sie dort zusammengebaut haben ist echt beeindruckend (und ein bisschen erschreckend). Vielen Dank für’s Teilhabenlassen.
    Norbert

    1. Lieber Norbert,

      vielen Dank für das positive Feedback. Jau, beeindruckend ist das echt und ich bin gespannt, wie das alles weiter geht. Was für Songs kommen in ein paar Jahren aus so einer KI? Vermutlich in einer noch viel besseren Qualität.

      Liebe Grüße
      Tobi

  2. Das ist wirklich spannend. Als alter Vinyl-Nerd mit entsprechender Sammlung und sorgsam gehegter HiFi-Hardware schwanke ich zwischen Begeisterung und Erschrecken. Aber so oder so: Vinyl rules! Also gerne weiter auf dem laufendne halten 😉

    LG aus dem Taunus
    Roland aka @rm.eisrausch

    1. Lieber Roland,

      genau so sehe ich das auch, eine Mischung aus Begeisterung und auch Erschrecken, was möglich ist. Bei mir ist es aber eher Freude, das ist einfach super, dass das dieser Tage alles geht und ich genieße es sehr, so eine schöne Platte zu haben und hören zu können. Und ja, Vinyl ist einfach super, da gibt es nichts.

      Liebe Grüße
      Tobi

      1. Ja, Vinyl hat schon was. Zum Glück habe ich meine Plattensammlung nie verkauft wie so viele andere das getan haben. Die rund 800 schwarze Scheiben werden gehegt und gepflegt. Und sie landen regelmäßig auf einem Kenwood L-07D, einem Monsterplattenspieler aus einer Zeit, als High Fidelity noch High Fidelity war. Das Auflege- und Abspielritual ist der Einstieg in eine wunderbare Entschleunigung von der Welt da draußen. Ähnlich wie das Herausziehen eines Buches aus dem Bücherregal und das genüssliche Aufschlagen der ersten Seite.

        In diesem Sinne: Enjoy, lieber Tobi!

  3. Hej, da muß ich doch schmunzeln, mit meinen Schätzen von rund 200 Vinylplatten. Selbst 2,3 Platten, die man noch mit 78 rpm spielt, aus dem Nachlass meiner Mutter. Oder ein Album voll mit »Singles« wie Tony Sheridan & The Beatles, oder »House of the Rising Sun« von den Animals. Ihr seht, es gibt noch Menschen aus dem »Schallplatten-Zeitalter, für die Vinyl sogar alltäglich war. Und ich freu mich sehr über Tobis Vinyl-Liebe, der unübertroffene Klang macht so viel aus.
    Und nie werde ich die Frage meiner 4-jährigen Tochter vergessen, als ich nach dem Umzug die LP´s auspackte: »Papa, was machst Du denn mit den großen CD´s?«

    1. Lieber Michael,

      ah cool, das wundert mich nicht, dass Dir auch Schallplatten gefallen. Ich glaube da ist schon eine Affinität da, wenn man schöne Bücher in physikalischer Form mag. Meine Sammlung umfasst knapp 90 Alben und ich bin sehr wählerisch. Diese ganze 80er-Jahre-Kommerz-Musik gehört da gar nicht dazu. Keine Beatles, keine Animals, auch keine Greatest Hits von Queen, die ständig beworben wird, die Musik geht bei mir gar nicht. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich fürstlich streiten. Ich höre primär Video Game Vinyl, also Soundtracks zu Videospielen, meist als richtig schöne Sammlerausgabe und aufwendig gemastert. Viele Platten sind da echt schwer zu bekommen. Die Musik ist aber wunderbar und die Spielestudios gönnen sich da so richtig was. Einige Spiele haben zwei oder sogar bis zu vier Komponisten. Das merkt man schon sehr. Und Du hast absolut recht: Der Klang ist unübertroffen. Für mich ist es aber ein Anachronismus, die Ära der Platten war auch zu meiner Kindheit schon vorbei. Ich hab übrigens auch zwei Grammophone und wunderbare Musik aus den 20ern auf 78er Schellacks. Nicht viele, weil die echt viel Platz brauchen und sehr schwer sind. Aber von seiner Nostalgie ist das einfach super. Hier ein Video: https://www.lesestunden.de/2015/01/lesen-die-musik-und-die-stille/

      Meine Kinder kennen Platten, dazu bekommen sie es doch zu oft mit, wie ich mir die ein oder andere Platte anhöre. Bei Kassette sind sie aber raus. Aber selbst das erlebt einen Revival, man kann sich sogar neue tragbare Kassettenspieler kaufen 😉

      Michael, vielen Dank für Deinen Kommentar, der mich sehr gefreut hat. Das tut einfach gut zu wissen, dass es da noch einige da draußen gibt, die auch die schönen Dinge wie Bücher oder eben auch Schallplatten mögen.

      Liebe Grüße
      Tobi

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